Shared Leadership – Vorteile der geteilten Führung. Praxis in Österreich.

Shared Leadership - Vorteile und Herausforderungen

Shared Leadership, oder geteilte Führung, ist ein modernes und innovatives Führungskonzept, das sich grundlegend von traditionellen hierarchischen Führungsstilen unterscheidet.

Im Kern dieser Methode steht die Verteilung der Führungsverantwortung auf mehrere Personen innerhalb eines Teams oder einer Organisation. Statt einer einzelnen Führungskraft die alleinige Entscheidungsgewalt und Verantwortung zu übertragen, wird diese Last auf mindestens zwei oder mehr Teammitglieder verteilt.

Dies fördert nicht nur die Zusammenarbeit und den Austausch von Ideen, sondern ermöglicht es auch, verschiedene Perspektiven und Kompetenzen in den Führungsprozess einzubringen. Durch die geteilte Führung können Teams agiler und flexibler auf Herausforderungen reagieren und die individuellen Stärken der Mitglieder optimal nutzen, was letztendlich zu einer gesteigerten Effizienz und Kreativität führt.

Merkmale von Shared Leadership

Zwei Führungskräfte teilen sich Verantwortung und Organisation
Merkmale geteilter Führung

Geteilte Verantwortung
Die Führungsaufgaben werden auf beispielsweise zwei Führungskräfte aufgeteilt, dies geschieht nach deren Fähigkeiten und Qualifikationen. Daraus resultierend kann sich die jeweilige Person noch tiefgehender auf die Aufgabenbereiche konzentrieren, in welche sie Expertise mitbringt.
Dies fördert ein hohes Maß an Autonomie und Selbstorganisation innerhalb des Teams.

Gemeinsame Zielsetzung
Ziele werden gemeinsam definiert und verfolgt, was zu einer höheren Identifikation und Motivation innerhalb des Teams führt.
Jedes Teammitglied versteht und unterstützt die gemeinsamen Ziele.

  • Kooperative Entscheidungsfindung
    Entscheidungen werden meist durch Übereinstimmung oder anhand kollektiver Diskussionen getroffen, oft unter Einbeziehung aller relevanten Teammitglieder.
    Dies fördert ein Gefühl der Zugehörigkeit und Mitverantwortung sowie die Qualität der Entscheidungen, da diverse Perspektiven und Wissen einbezogen werden.
  • Ermöglichung und Unterstützung
    Führungskräfte fungieren als Ermöglicher:innen und Unterstützer:innen, anstatt als alleinige Entscheidungsträger:innen.

Vorteile von Shared Leadership für Frauen mit Kindern

Shared Leadership bietet spezifische Vorteile für Frauen, insbesondere für solche mit Kindern, die häufig mit der Herausforderung konfrontiert sind, berufliche und familiäre Verpflichtungen zu balancieren.

Shared Leadership fördert die Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch shared leadership
  • Flexibilität und Work-Life-Balance
    Shared Leadership ermöglicht eine flexiblere Gestaltung der Arbeitszeiten und -verantwortlichkeiten.
    Frauen mit Kindern können ihre Arbeitszeit besser an familiäre Verpflichtungen anpassen, da die Führungsaufgaben geteilt und somit Arbeitsbelastungen reduziert werden können. Somit wird es für weibliche Führungskräfte einfacher, Kinder zum Kindergarten oder in die Schule zu bringen beziehungsweise diese abzuholen.
  • Unterstützende Teamdynamik
    In einer geteilten Führungsstruktur besteht, wie vorhin schon erwähnt, eine Kultur der gegenseitigen Unterstützung und Kooperation. Teammitglieder können nachvollziehen, wenn beispielsweise eine der beiden Führungskräfte aufgrund von privaten Gründen, oftmals mehr Unterstützung bei Projekten benötigt.
    Dies kann Frauen entlasten, da sie auf die Unterstützung ihrer Teamkollegen zählen können, wenn familiäre Verpflichtungen Vorrang haben.
  • Ermöglichung von Teilzeitarbeit und Remote Work
    Shared Leadership fördert flexible Arbeitsmodelle, einschließlich Teilzeitarbeit, Home-Office (falls nicht bereits im Unternehmen implementiert) und Remote Work.
    Dies ist einer der größten Vorteile von geteilter Führung, da es Frauen ermöglicht, weiterhin in Führungsrollen tätig zu sein, auch wenn sie aufgrund von familiären Verpflichtungen nicht weiterhin in Vollzeit arbeiten können.
  • Wertschätzung und Nutzung vielfältiger Kompetenzen
    Frauen bringen wertvolle Perspektiven und Fähigkeiten ein, die in einem kooperativen Umfeld geschätzt und gefördert werden.
    Wenn eine Führungsposition beispielsweise zwischen einer Frau und einem Mann geteilt wird, können spannende Lösungsansätze aus unterschiedlichen Perspektiven entwickelt werden. Auch bei Führungskräften aus verschiedenen Generationen können Lösungen erarbeitet werden, die einer einzelnen Führungskraft möglicherweise nicht eingefallen wären.
  • Entwicklung und Karriereförderung
    Shared Leadership bietet Frauen die Möglichkeit, Führungsfähigkeiten zu entwickeln und zu vertiefen, ohne die volle Last der Führung alleine tragen zu müssen.
    Dies kann einerseits zu besseren Karrierechancen führen, da eine Führungsposition auch als Teilzeitkraft beziehungsweise Jungmutter möglich ist und andererseits zu einer enormen persönlichen Entwicklung führen.

Weitere Vorteile von Shared Leadership

Geteilte Führung hat jedoch nicht nur Vorteile für (Jung-) Mütter, sondern bietet für beide Geschlechter folgende Erleichterungen:

  • Erhöhte Flexibilität und Anpassungsfähigkeit
    Teams können schneller und effektiver auf Veränderungen reagieren. Je nach Herausforderung, kann jene Führungskraft mit der passenden Expertise agieren.
    Die geteilte Verantwortung fördert eine agile Arbeitsweise.
  • Förderung von Innovation und Kreativität
    Unterschiedliche Perspektiven, Blickwinkel und Ideen können frei eingebracht werden, was zu innovativen Lösungen führt.
    Die kollektive Kreativität sowie Intelligenz des Teams wird genutzt, um jede Aufgabe/Tätigkeit beziehungsweise jedes Projekt bestmöglich zu erledigen.
  • Erhöhung der Resilienz der Organisation
    Shared Leadership schafft eine robustere Organisationsstruktur, da das Wissen und die Fähigkeiten nicht auf eine einzelne Person konzentriert sind. Dies macht die Organisation widerstandsfähiger gegenüber unvorhergesehenen Ereignissen wie dem plötzlichen Ausfall einer Führungskraft.
    Durch mehrere Sichtweisen kann beispielsweise schneller auf den Wandel eingegangen werden.

Herausforderungen und Voraussetzungen für shared leadership

Die wichtigsten Erfolgsfaktoren sind laut der Studie “Duale Führung” von ABZ Austria, PwC und der Industriellenvereinigung für ein geteiltes Führungsmodell gegenseitiges Vertrauen (26 Prozent), offene und transparente Kommunikation (22 Prozent) sowie die Fähigkeit, sich “die Bühne teilen zu können” (20 Prozent). Die Führungspersonen ergänzen sich häufig in ihren Fähigkeiten und haben unterschiedliche Arbeitsschwerpunkte. In nahezu 50 Prozent der Fälle wurde die Neuerung, Managementaufgaben auf zwei Personen zu verteilen, von den Vorgesetzten initiiert.
Nachfolgend wird etwas näher auf die oben genannten Punkte eingegangen sowie ebenfalls die Herausforderung der kulturellen Anpassung näher erläutert.

  • Vertrauen und Kommunikation
    Effektive Kommunikation und ein hohes Maß an Vertrauen sind entscheidend, um Shared Leadership erfolgreich zu implementieren.
    Führungskräfte müssen bereit sein, offen und ehrlich miteinander zu kommunizieren. Mitarbeitende dürfen Führungskräfte nicht gegeneinander ausspielen.
  • Klarheit über Rollen und Verantwortlichkeiten
    Trotz der geteilten Führungsverantwortung müssen klare Rollen und Verantwortlichkeiten definiert werden, um Chaos und Verwirrung zu vermeiden.
    Regelmäßige Abstimmungen wie wöchentliche Jour-Fixes und Feedback-Schleifen sind wichtig. Die Führungsebene kann sich gegebenenfalls auch öfter Abstimmung beziehungsweise sich täglich während des morgendlichen Kaffee’s/Tee’s updaten.
  • Kulturelle Passung
    Die Unternehmenskultur muss eine kooperative und partizipative Führung unterstützen. Falls Shared Leadership im Unternehmen noch nicht implementiert wurde, kann beispielsweise ein Pilotprojekt mit einer Abteilung gestartet werden.
    Führungskräfte müssen bereit sein, Macht und Kontrolle abzugeben und diese mit mindestens einer weiteren Person zu teilen.

Unternehmen, die Shared Leadership bereits implementieren

Laut der Studie “Duale Führung” von ABZ Austria, PwC und der Industriellenvereinigung, geben 65 Prozent der Führungskräfte an, dass Sie bereit wären, die Chefetage zu teilen. In Österreich kann unter anderem bereits in nachfolgenden Unternehmen ein geteiltes Führungskräftemodell gefunden werden:

  • Billa
    Der Bereich Nachhaltigkeit wird seit Ende 2021 von Tanja Dietrich-Hübner und Felicia Beck geleitet.
  • Bosch
    Seit 2023 verfolgen Stefanie Pillhofer und Benedikt Lederman den Ansatz der geteilten Führung im Entwicklungsbereich.
  • Porsche
    Die Informatikabteilung bei Porsche wird seit sechs Jahren von Manfred Immitzer und Rainer Trischak geführt.
  • Raiffeisen
    Seit knapp 2 Jahren teilen sich Carmen Kuster und Claudia Dünisch das internationale institutionelle Geschäft bei Raiffeisen KAG.
  • ÖBB
    Der Bereich Informatik wird bei den österreichischen Bundesbahnen von Claudia Altenburger und Ricarda Breitenegger geleitet.

Fazit

Shared Leadership ist ein modernes Führungskonzept, das die traditionelle hierarchische Führung herausfordert und die kollektive Intelligenz sowie die Zusammenarbeit innerhalb eines Teams fördert. Dieses Modell steigert nicht nur die Effizienz und Kreativität von Teams, sondern ist auch besonders vorteilhaft für Frauen mit Kindern. Durch die Flexibilität, die gegenseitige Unterstützung und die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit bietet es eine attraktive Lösung, um berufliche Ambitionen und familiäre Verpflichtungen in Einklang zu bringen. Shared Leadership ermöglicht es, dass Frauen ihre Karriereziele verfolgen können, ohne dabei auf wichtige familiäre Aufgaben verzichten zu müssen. Während es viele Vorteile bietet, erfordert dieses Konzept jedoch eine sorgfältige Implementierung und eine unterstützende Unternehmenskultur. In einer zunehmend komplexen und dynamischen Arbeitswelt gewinnt Shared Leadership daher immer mehr an Bedeutung.


Quellenverzeichnis

Avolio, B. J., Walumbwa, F. O., & Weber, T. J. (2009). “Leadership: Current Theories, Research, and Future Directions.” Dieser Artikel bietet einen Überblick über aktuelle Führungstheorien, einschließlich Shared Leadership, und diskutiert zukünftige Forschungsrichtungen.

Bosch Österreich. “Shared Leadership: Führung neu gedacht.” Bosch, www.bosch.at/news-and-stories/shared-leadership/.

Carson, J. B., Tesluk, P. E., & Marrone, J. A. (2007). “Shared Leadership in Teams: An Investigation of Antecedent Conditions and Performance.” Dieses Papier untersucht die Bedingungen, unter denen Shared Leadership in Teams erfolgreich ist, und die Auswirkungen auf die Teamleistung.

Eagly, A. H., & Carli, L. L. (2007). “Women and the Labyrinth of Leadership.” Dieses Buch untersucht die Herausforderungen, denen Frauen in Führungspositionen gegenüberstehen, und wie flexible Führungsmodelle wie Shared Leadership diesen Herausforderungen begegnen können.

Ickert, Natascha. “Geteilte Führung: Drei Doppelspitzen im Gespräch.” Der Standard, 15. November 2022, www.derstandard.de/story/2000140742279/geteilte-fuehrung-drei-doppelspitzen-im-gespraech.

Lemoine, G. J., Hartnell, C. A., & Leroy, H. (2019). “Taking Stock of Moral Approaches to Leadership: An Integrative Review of Ethical, Authentic, and Servant Leadership.” Dieses Papier diskutiert die moralischen Aspekte von Führungsstilen, einschließlich Shared Leadership, und deren positive Auswirkungen auf die Arbeitsumgebung.

Mayo, M., Kakarika, M., Pastor, J.-C., & Brutus, S. (2012). “Aligning or Misaligning Leadership in Universities: A Consequential Leadership Theory Approach.” Dieser Artikel untersucht, wie Shared Leadership in akademischen Umgebungen angewendet werden kann und welche Vorteile es für diverse Gruppen bietet.

Pearce, C. L., & Conger, J. A. (2003). “Shared Leadership: Reframing the Hows and Whys of Leadership.” Diese Arbeit ist eine umfassende Einführung in das Konzept des Shared Leadership und bietet theoretische und empirische Perspektiven.

PwC Österreich. “Duale Führung: Eine Studie zur geteilten Führung in Unternehmen.” PwC, www.pwc.at/de/nwns/studie_duale_fuehrung.pdf.

Raiffeisen Capital Management. “Shared Leadership: Stärken bündeln.” Raiffeisen Capital Management, www.rcm.at/at-de/article/shared-leadership-staerken-buendeln/.